Ennatz weint im Parkhaus

Der Fußballer Aílton Gonçalves da Silva (hier im Trikot des MSV Duisburg). Ob er anläßlich des Zwangsabstiegs des MSV auch geweint hat? – Wohl eher nicht.
(Photo: Quietsche – gemeinfrei)

Es war eine traurige Fußball-Woche. Zuerst sterben Ottmar Walter und Heinz Flohe. Zwei Fußballer, die ihre gesamte Profi-Karriere jeweils bei einem Verein spielten. Dann drei Tage später wird dem MSV Duisburg, Gründungsmitglied der Bundesliga, die Lizenz für den Profi-Fußball entzogen.

Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) zeigt die Legende des Vereins Bernard „Ennatz“ Dietz weinend in einem Frankfurter Parkhaus – kurz nach dem endgültigen Lizenzentzug durch den Deutschen Fußballbund (DFB). (Einen Link zu dem Bild hätten wir gerne gesetzt, doch leider hat die WAZ das Bild wieder entfernt.) Dieses Bild muss den Betrachter nachdenklich stimmen. Hier leidet ein Fußballspieler mit seinem Verein und weint – so wie auch die vielen Fans der Duisburger Zebras in diesen Tagen Tränen des Schmerzes vergießen. Bernard Dietz, der nicht aus der Elf-Freunde-müsst-ihr-sein-Generation von Ottmar Walter stammt, sondern zu einer Zeit Profi war, in der schon gutes Geld im Fußballgeschäft verdient wurde (1970er und 1980er Jahre), dieser Bernard Dietz hängt dennoch mit Liebe, Leib und Leidenschaft an seinem MSV Duisburg.

Wo gibt es das bei den heute aktiven Fußballprofis? Kann man sich solche Parkhaustränen bei einem Manuel Neuer, bei einem Sami Khedira oder bei einem Mario Götze vorstellen? Wohl kaum. Der gegenwärtige Spitzenfußball ist zweifellos schneller, filigraner und ästhetischer als der zu Bernard Dietz‘ Zeit. Gerade konnte das wieder in dem technisch hochwertigen Champions-League-Finale zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern besichtigt werden. Aber etwas fehlt ihm: die Seele.

Die Seele des Fußballs ist eine Verbindung zwischen den Spielern und den Fans durch das gemeinsame Erleben der Siege und das gemeinsame Erleiden der Niederlagen. In Zeiten aber, in denen die Spieler die Vereine öfters wechseln als die Mobiltelefone, weil sie von alerten Spielerberatern getrieben immer dort Verträge unterschreiben, wo sie gerade im Moment am meisten Geld verdienen können, in solchen Zeiten kann eine Gemeinschaft zwischen Spielern und Fans nicht entstehen. Die Seele des Fußballs ist verschwunden und kommt nicht wieder. Spieler wie Ottmar Walter, Heinz Flohe und Bernard Dietz wird es nie mehr geben. Und das ist dann noch eine traurige Erkenntnis aus der letzten Woche.


Kommentare

Ennatz weint im Parkhaus — 2 Kommentare

  1. Lieber Roger, mit Recht beklagst Du die Entwicklung die der Profifussball genommen hat. Auch mich kotzt diese Scheinheiligkeit mit Ausstiegsklauseln etc. an. Wer nicht zur Spitze gehoert ist Ausbildungsbetrieb fuer die grossen Vereine. Allerdings habe ich es noch nicht erlebt, dass ein Spitzenclub wie Barca oder FCB einen Spitzenspieler nicht halten konnte. Topspieler wie Messi schaffen durchaus noch eine gewisse Identifikation.

  2. Ja, lieber Jörg, das mag sein, dass die Vereine ganz oben die guten Spieler über mehrere Jahre halten können und sie somit zu Identifikationsfiguren reifen lassen können. Das gilt aber wirklich nur für das eine Dutzend europäischer Topclubs wie die von dir genannten Barca und FC Bayern. Für die Mittelklasse in der Bundesliga gilt das aber schon lange nicht mehr.

    Nehmen wir mal als Beispiel die von dir an anderer Stelle ins Feld geführte Frankfurter Eintracht. Dieser Club hat in der vergangenen Saison ziemlich ansehnlich und auch durchaus erfolgreich gespielt. Trotzdem gibt es in diesem Team keinen „Grabi“ Grabowski, keinen Willi Neuberger, keinen Charly Körbel und auch keinen Manni Binz mehr.

    Man sollte diese Entwicklung nicht nur auf das böse Geld der Großvereine schieben. Niemand zwingt einen Sebastian Rode, sich in der nächsten Spielzeit auf die Ersatzbank der Bayern zu setzen. Er kann auch in Frankfurt so viel Geld verdienen, dass er für den Rest seines Lebens finanziell ausgesorgt hat, und mehr spielen würde er bei der Eintracht auf jeden Fall.

    Ich weiß, dass ich hier etwas nostalgisch bin, aber ich kann nicht anders.

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