Freiheit für Pussy Riot!

Sie treten an öffentlichen Orten auf, haben bunte Strickmützen übers Gesicht gezogen, lassen ihre punkigen Gitarren krachen, singen Lieder gegen den russischen Autokraten Wladimir Putin und stellen das ganze auf You-Tube ins Netz. Das ist politische Aktionskunst des russischen, feministischen Künstlerkollektivs Pussy Riot.

Photo von Pussy Riot

(Photo: Игорь Мухин – Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Im Februar diesen Jahres traten Pussy Riot mit einem „Punk-Gebet“ in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau auf, um so gegen die Unterstützung für Putin durch den Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche zu protestieren. Drei der Bandmitglieder wurden darauf hin von der russischen Miliz verhaftet und sie wurden wegen „Rowdytums“ angeklagt, das könnte ihnen nach dem drakonischen russischen Strafsystem bis zu sieben Jahre Arbeitslager einbringen.

Am letzten Montag begann der Prozess gegen die drei verhafteten Pussy-Riot-Musikerinnen. Eine Woche zuvor wurde die Untersuchungshaft für die drei Künstlerinnen bis Januar 2013 verlängert. Während des Prozesses sind sie täglich bis zu zwölf Stunden in einem Käfig eingesperrt. Eine der drei jungen Frauen ist bereits während eines Verhandlungstages kollabiert und musste notärztlich behandelt werden. Spiegel Online berichtet, von irregulären Haftbedingung für Pussy-Riot-Frauen, unter anderem verweigere man ihnen ausreichend Essen und Schlaf.

Von einer unabhängigen Justiz kann man in Russland nicht ausgehen. Es deutet alles daraufhin, dass Wladimir Putin, der russische Herrscher, wieder einmal ein Exempel gegen seine Kritiker statuieren möchte. Wie sonst könnte man erklären, dass die drei jungen Frauen, die allenfalls einen Hausfriedensbruch begangen haben, mit solcher justizialer Macht angegangen werden.

Mittlerweile hat sich weltweit Protest gebildet – gegen die russische Justizwillkür im Fall von Pussy Riot (siehe hierzu die Protestwebsite: Free Pussy Riot! ). Auch Amnesty International hat sich des Falles angenommen. Und in der deutschsprachigen Blogosphäre drückt sich ebenfalls dieser Protest aus.

Der feministische Blog Mädchenmannschaft weist auf die fragwürdige Rolle der russisch-orthodoxen Kirche hin: „Besonders ekelhaft ist, hier noch ein Mal, die Rolle der Orthodoxen Kirche in dieser Affäre. Patriarch Kyrill, der bei den letzten fragwürdigen Präsidentschaftswahlen im Dezember Putin öffentlich unterstützt hat, gibt sich jetzt empört. In Russland gilt zwar formell eine Trennung zwischen Staat und Kirche, diese lebt jedoch fast zu 100 Prozent von Förderungen aus dem Staatshaushalt. Mehrere Angestellte der Kirche haben sich bei der Staatsanwaltschaft ‚zutiefst beleidigt‘ erklärt und das wird der Strafverfolgung in die Hände spielen: Die ‚Beleidigung‘ ist nämlich wesentlich für den Tatbestand der ‚großen Verletzung der öffentlichen Ordnung‘, der den Aktivistinnen vorgeworfen wird.“ Auch der Atheisten-Blog Brights – Die Natur des Zweifels sieht in der Führung russischen Kirche die Drahtzieher für die Anklage gegen Pussy Riot.

Nic Frank schreibt in seinem Bloghaus dazu: „Wie eng die Verflechtung zwi­schen Thron und Kreuz in Russland der­zeit sind, zeigt sich am die­sem Fall beson­ders gut. Der Klerus ver­sorgt den (lupen­rei­nen Demokraten) Putin mit Legitimität, der Kremlchef wie­derum erhebt die Kirchenoberen zu Repräsentanten einer Quasi-Staatskirche.“

Der These von der Kirche als Drahtzieher gegen Pussy Riot widerspricht Alexander Görlach im Blog The European: „Das Gericht würde sich sicher nicht zum Handlanger der Kirche machen. Wohl aber zum Handlanger des Präsidenten. Der wiederum nutzt die Kirche zur Stabilisierung seiner Macht.“ Im Russland-Blog der Heinrich-Böll-Stiftung wird Mitleid mit dem Personal der Kirche ausgedrückt. Die angeblich durch die Pussy-Riot-Aktion Geschädigten würden durch den absurden Prozess öffentlich der Lächerlichkeit preisgeben werden, so der Russland-Blog.

Sehr schön zu lesen ist der Beitrag des Bloggers Helmut Wiesenthal. Er schreibt einen ironischen Brief an den „lupenreinen Demokraten“ Putin.  An den „lupenreinen Demokraten“ von Gerhard Schröder erinnern auch die ruhrbarone in ihrer Solidaritätsadresse an Pussy Riot. Die ruhrbarone schreiben über Putin:  „Er [ist] einfach nur der Chef der russischen Mafia, ein Gangster, der sein Geld mit Gas- und Ölhandel verdient und seine Gegner umbringen oder verschwinden lässt. Auf Sizilien nennt man den Boss der Bande ‚Pate‘, in Russland ‚Präsident‘.“

Die Blogrebellen empören sich: „Es kann doch nicht sein, dass man in Russland für Protest gegen die Kirche und die Regierung sieben Jahre ins Gefängnis gehen muss!“ Auch der Blog Kotzendes Einhorn fordert: „Free Pussy Riot!“ und gibt einen guten Überblick über die laufenden Protestaktionen.

Im Musikblog Lieblingstape werden die Aktionen der Bands Red Hot Chili Peppers und Faith No More gewürdigt, die bei ihren Konzerten in Moskau mit bunten Strickmasken und Pussy-Riot-T-Shirts aufgetreten sind. Auch das Pussy-Riot-Cover „Put Putin Away“ von Faith No More gibt es hier zu hören. Im Russland-Podcast Videli Noch kann man das Lied („Punk-Gebet“) hören, das Pussy Riot in der Kirche aufführten. (Das Video dazu gibt es auf YouTube.)

Der Autor des Blogs 1000 Zeichen Hass fragt, warum bei den zahlreichen Menschenrechtsverletzungen in Putins Russland ausgerechnet Pussy Riot so eine Aufmerksamkeit in den westlichen Medien bekommen, und antwortet: „Dieser mediale Hype liegt daran, das die drei zu gut aussehen für russische Regimekritiker. Keine Bärte, Brillen und so.“ Aber, so in dem Beitrag weiter: „Der Prozeß an sich ist natürlich eine an Lächerlichkeit und Menschenverachtung kaum noch zu überbietende Farce: Ex-KGB-Mitarbeiter Putin, der dem atheistischem Staatsgefüge der Sowjetunion so treu diente, dass er sogar in der ehemaligen DDR eingesetzt wurde, lässt nun seine Justiz-Schergen u.a. das Konzil von Laodica aus dem Jahre 364 bemühen, auf dem das Singen und Klatschen in Kirchen verboten wurde.“

Ralf Ostner sieht in seinem Blogbeitrag auf Global Review in der Solidarisierung mit Pussy Riot aber auch Heuchelei am Werk. Es sei witzig, „dass jetzt Deutschland seine Vorliebe für russische Punkgirls entdeckt. Ich möchte einmal sehen, wenn eine deutsche Punkgirlgruppe in einer katholischen Kirche Ober- oder Niederbayerns einen alternativen Gottesdienst in Form eines Punkkonzerts in der Kirche abhalten würde und Gott für die Erlösung von der CSU und ihrer engen Verbindung zur katholischen Kirche ansingen würde. Da hätten wir wohl ähnliche Reaktionen wie bei Putins Russland. Da wäre schnell Schluss mit lustig.“ 

Und wem das an Infos über die Künstlergruppe noch nicht reicht: in längerer Textstrecke wird das künstlerische und gesellschaftspolitische Umfeld von Pussy Riot im deutschen Rolling Stone und auf Telepolis beleuchtet.

Mein Freund, der Baum schließt sich dem internationalen Protest gegen die Anklage und Inhaftierung von Pussy Riot an:
Pussy Riot müssen raus aus dem Knast! Lass sie frei, Putin! Sofort!


Kommentare

Freiheit für Pussy Riot! — 3 Kommentare

  1. Damit kein falscher Eindruck entsteht: Ich solidarisiere mich natürlich auch mit Pussy Riot, finde aber eben die plötzliche Solidarität von Seiten deutscher Putinhasser mit Punks etwas seltsam und eben heuchlerisch. Die Frage ist für Russland nur, wer denn eine reale politische Opposition sein könnte. Der Megaoligarchen Chodorkowsky, der ebenso ein korrupter Kleptokrat wäre und seine Geschäftsinteressen bedienen würde, wohl nicht. Kasparow? Ein guter Schachspieler, aber für einen Oppositionsführer dürfte es nicht reichen. Bisher hat die russische Opposition noch keinen demokratischen Führer hervorgebracht, der Putin real herausfordern könnte.

  2. Man sollte sich auch mit dem russischen Staat und der armen Kirche solidarisieren. Immerhin erscheinen sie einem gerade unfassbar schwach und armselig…

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