Manfred Sarrazin

Er war einer der Pioniere des Krimi-Spezialbuchhandels. Lange bevor der große Krimiboom Ende der 1990er Jahre über unser Land zog, eröffnete er 1990 in Köln zusammen mit seiner Ehefrau einen Buchladen, der ausschließlich Krimiware anbot. Dreimal zog er mit seiner Krimibuchhandlung Alibi in den 22 Jahren ihres Bestehens um, seine Stammkundschaft zog immer mit. Zuletzt betrieb er sein Krimigeschäft in der Limburger Straße, inmitten des „Belgischen Viertels“ von Köln.

Wohnwagen

(Photo: suziesparkle – Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0 – s/w coloriert)

Er war ein Vielleser, wie es sich für einen ordentlichen Buchhändler gehört, und kannte wirklich alles und jeden in seinem Krimigenre. Das stellte er auch in der Radio-Krimishow „Die telefonische Mord(s)beratung“ allzweimonatlich unter Beweis. Er war im Krimikompetenzteam von WDR 5 die Koryphäe, die immer noch, auch wenn die beiden anderen Krimiexperten nicht mehr weiter wussten, den passenden Krimi für die ratsuchenden Hörer hervorzauberte.

Er liebte die harten, coolen Amerikaner, Ross Thomas, Michael Connelly, Lee Child und so weiter. Sein Gott war James Ellroy – wenn er von ihm im Radio erzählte, dann wollte man sofort zum Buchladen rennen und sich all die dicken Ellroy-Ziegelsteine kaufen.

Dann im Oktober war sein Laden in der Limburger Straße plötzlich geschlossen. An der Tür ein Schild: „Manfred Sarrazin ist für den Transport zum metaphysischen Wohnwagen rekrutiert.“ Was für eine entsetzliche Nachricht!

Manfred Sarrazin hatte unheilbaren Darmkrebs und zog von der Alibi-Buchhandlung in ein Hospiz – zum Sterben. Der Kölner Stadtanzeiger berichtete, dass er noch auf dem Sterbebett mit Besuchern über Krimis gefachsimpelt hat.

Aus seiner Liebe zur Noir-Literatur schöpfte Manfred Sarrazin eine persönliche Gelassenheit gegenüber dem bevorstehenden Tod. In einem Gespräch mit einem WDR-Redakteur an seinem Sterbebett erklärte er:

„Der Liebhaber des Noir hat Realitätssinn, weil er weiß, das Leben ist Chaos, das Leben ist nichts und das Leben ist Verzweiflung. Und die meisten Heldentote werden umsonst gestorben. Und deswegen: man nimmt sich nicht so wichtig. Ich bin nicht wichtig, so richtig, nach meinem Gefühl. Tausende, Hundert-tausende, Millionen werden mir folgen mit einem völlig ähnlichen Schicksal. Die Krankheit, die ich habe, ist die zweithäufigste Krebserkrankung nach Lungenkrebs in ganz Deutschland. Und da bin ich irgendwie gelassen. Ich glaube, ein entschlossener, autonomer, sich selbst bestimmender Mensch kann auch die Umstände, unter denen er stirbt, noch negativ oder positiv beeinflussen.“ (Höre: Der König des Noir. Letzte Gedanken von Manfred Sarrazin)

In diesem Sinne plante Manfred Sarrazin in den letzten Wochen seines Lebens den Ablauf seiner Beerdigung – inklusive der vorgetragenen Textauszüge, die natürlich aus Krimis stammen. Seine letzten veröffentlichten Worte dazu: „Leute, kommt hin! Es wird nicht langweilig werden.“

Letzten Sonntag ist Manfred Sarrazin in seinen „metaphysischen Wohnwagen“ eingezogen – im Alter von 62 Jahren.


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