Der Film „Hannah Arendt – Ihr Denken veränderte die Welt“ von Margarethe von Trotta
Hannah Arendt, eine der großen Politikdenkerinnen des 20. Jahrhunderts, ist die Heldin in Margarethe von Trottas neuestem Film. Und Margarethe von Trotta traut sich was. Einen Kinofilm zu drehen – nein, nicht über das Leben von Hannah Arendt – sondern über die politische Theorie von Hannah Arendt, das ist zumindest wirtschaftlich mehr als mutig.
Axel Milberg, Margarethe von Trotta, Barbara Sukowa, Michael Degen und Victoria Trauttmansdorff bei der Filmpremiere am 08.01.2013 in der Lichtburg in Essen
(Photo: Roger Weil – Lizenz: CC BY-SA 3.0)
Hannah Arendt, die vor den Nazis aus Deutschland in die USA Geflüchtete, berichtete 1961 für den New Yorker über den Eichmann-Prozess in Jerusalem und gelangte beim Betrachten und Hören der Einlassungen des Angeklagten Adolf Eichmann zu der Auffassung bei dem Cheforganisator der Transporte in die nationalsozialistischen Vernichtungslager habe es sich nicht um einen Dämon gehandelt, sondern um einen ganz normalen Menschen, der noch nicht einmal übermäßig antisemitisch gesinnt wäre, sondern einfach ein Bürokrat, der nach seinem eigenen Verständnis lediglich die Gesetze des Deutschen Reiches umgesetzt habe. Hannah Arendt prägte dabei den Begriff „Banalität des Bösen“.
Von Trottas Film zeigt Hannah Arendt (gespielt von Barbara Sukowa) in New York im Kreise ihrer Freunde, mit denen sie über ihre Gedanken über den Nationalsozialismus diskutiert. Besonders nahe stehen ihr dabei ihr Ehemann Heinrich Blücher (gespielt von Axel Milberg) und ihr wissenschaftlicher Partner Hans Jonas (gespielt von Ulrich Noethen). In Jerusalem trifft sie einen weiteren engen Freund, den zionistischen Politiker Kurt Blumenfeld (gespielt von Michael Degen). Hannah Arendt tauscht sich mit ihren Freunden aus, diskutiert, debattiert und streitet mit ihnen.
Auch die Kontroverse über die Rolle der Judenräte im Rahmen der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik wird in Hannah Arendts Freundeskreis ausgetragen; hier vertritt Hannah Arendt die These, die Judenräte hätten am Massenmord mitgewirkt. Und nicht nur diese These, sondern auch ihre Einschätzung des „Hanswurst“ Eichmann erzürnt ihre Freunde und lässt diese sich von Hannah Arendt abwenden. Nur ihr Ehemann Heinrich Blücher (ein alter Kampfgefährte von Rosa Luxemburg, wie wir im Film erfahren) stärkt Hannah Arendt unverdrossen den Rücken.
Ein klein wenig aus der Spur gerät der Film in der rückblickartigen Schilderung der Liebesbeziehung der jungen Studentin Hannah Arendt zu ihrem Hochschullehrer Martin Heidegger. Hier wird für einen Moment ohne Grund die Konzentration auf Hannah Arendt und die Eichmann-Debatte aufgegeben. Ob die Affäre mit dem späteren Nazi Heidegger irgendeinen Einfluss auf Arendts Theorie der „Banalität des Bösen“ hatte, das vermag der Film nicht zu erklären.
Die Regisseurin Margarethe von Trotta
(Photo: Roger Weil – Lizenz: CC BY-SA 3.0)
Ein Film, der einer Denkerin nicht nur beim Reden zuschaut, sondern in einzelnen Szenen sogar beim Denken selbst – kann das funktionieren? Die Antwort ist: ja, es funktioniert. „Hannah Arendt – Ihr Denken veränderte die Welt“ ist ein äußerst spannender Film, ein Denkmal für Hannah Arendt, ein reifes Kunstwerk von Margarethe von Trotta und ein ein Film über Intellektualität, die furchtlos ist und sich nicht korrumpieren lässt.
„Hannah Arendt – Ihr Denken veränderte die Welt“ (Deutschland 2012)
läuft seit 10.01.13 in ausgewählten Programmkinos.
Der offizielle deutschsprachige Trailer (Eingebettetes YouTube-Video)
Siehe auch:
Besprechung in Telepolis
Besprechung in der Jungle World
Besprechung im Blog kunst+film
Besprechung im Blog getidan
Besprechung im Blog cinetrend
Besprechung im Blog filmtabs
Besprechung im Blog mehrfilm
Besprechung im Movie-Magazin
Besprechung im Blog Kriminalakte
Besprechung im Blog leselink.de
Besprechung im Blog kino-zeit.de
Besprechung im Blog beziehungsweise weiterdenken
Besprechung im Klaus Bittermann Blog
Besprechung in fluter.
Besprechung in der WAZ